In seiner Begrüßung erklärte André Bußkamp, Ressorleiter Beratung & Wohnen des Caritasverbandes für den Kreis Coesfeld, wie es zu diesem Vortragsabend kam, der gemeinsam mit dem Kreisdekanat Coesfeld und dem Kreisbildungswerk Coesfeld organisiert wurde. In der täglichen Arbeit mit geflüchteten Menschen mit einer in Deutschland nichtbeheimateten Religion stelle sich die Frage, wie der muslimische Glaube in unserer christlich geprägten Gesellschaft gelebt werden könne.
Khorchide beschrieb zunächst die Bandbreite des Islam von extrem bis säkular und erläuterte historische Hintergründe. Als problematisch beurteilte er die Auslegung des Koran als Gesetzesreligion, die von autokratischen Machthabern politisch instrumentalisiert und zur Unterdrückung von Menschen missbraucht werde. „Dieses ‚monologische Gottesbild‘ mit Gott als absolute Autorität überwiegt sowohl in muslimischen Ländern als auch in Europa“, sagte der Wissenschaftler. Er hingegen stehe für das „dialogische Gottesbild“, das Liebe verkündet, den Mensch in den Mittelpunkt rückt und von Freiheit und Selbstbestimmung ausgeht. Auf dieser Basis sehe er ein friedliches und wertschätzendes Zusammenleben in Deutschland und Europa. Denn neben dem Christentum und dem Judentum gehöre auch der Islam zu Deutschland. Dies anzuerkennen, sei eine Herausforderung für alle Seiten. „Die Frage ist: Sind wir bereit, uns zu öffnen, damit wir mehr aufeinander zugehen? Dann lösen sich auch Probleme des Alltags“, zeigte sich Khorchide zuversichtlich, der als palästinensischer Flüchtling im Libanon und in Saudi-Arabien aufwuchs und als 18-Jähriger mit seiner Familie nach Österreich kam.
Die Anerkennung des Islam erleichtere es jungen Muslimen, ihre religiöse Identität zu entwickeln. Khorchide beschrieb unter dem Stichwort „entkernte Identität“, dass viele Jugendliche in Deutschland den Koran als Symbol für eine Gemeinschaft bei sich tragen, wirkliche Glaubensinhalte ihnen aber nicht bekannt seien. „Sie können sagen, was sie nicht sind, aber nicht, wer sie sind“, führte der Reformtheologe aus. Deshalb hält er den islamischen Religionsunterricht in den Schulen für so wichtig. Er hofft, dass zukünftig mehr in Deutschland ausgebildete islamische Religionslehrer in Schulen unterrichten und in Moscheen eingesetzt werden.
In der anschließenden Diskussion ging Khorchide ausführlich auf die Fragen des Publikums ein und äußerte sich beispielsweise zur Kopftuchfrage. Das Tragen des Tuches aus spirituell religiösen Gründen sei kein Problem, als Zeichen der Reduzierung der Frau als sexualisiertes Objekt sei es strikt abzulehnen. Zu Fragen zum Neubau der Moschee in Coesfeld bat Khorchide Sener Bozdere vom türkisch-islamischen Kulturverein ans Mikrofon. Dieser betonte das gute Zusammenleben der Religionen in Coesfeld und lud herzlich zur Begegnung mit der Islamischen Gemeinde in der Moschee am Katthagen ein.
Am Ende honorierte das Publikum den hochinformativen Vortrag und die Einladung des Moderators Eberhard Ernsting vom Kreisbildungswerk Coesfeld an Khorchide zu einer weiteren Veranstaltung mit langanhaltendem Applaus.
Text/Bilder: Caritasverband für den Kreis Coesfeld/Gerburgis Sommer