Jean Asselborn: „Demokratie und Populismus passen nicht zusammen“

, Bistum Münster

Ein leidenschaftliches Plädoyer für die Bewahrung demokratischer Werte und Normen hat der Außenminister von Luxemburg, Jean Asselborn, in Münster gehalten. In der Reihe DomGedanken sprach er am 8. September im St.-Paulus-Dom zum Thema „Demokratie, das Fundament Europas – Anmerkungen zur Kraft freiheitlicher Staatsformen“. Dompropst Kurt Schulte hatte in seiner Begrüßung nicht zu viel versprochen, als er Asselborn als einen „Mann des klaren Wortes“ ankündigte.

Dompropst Kurt Schulte (links) begrüßte den luxemburgische Außenminister Jean Asselborn im St.-Paulus-Dom.

Dompropst Kurt Schulte (links) begrüßte den luxemburgische Außenminister Jean Asselborn im St.-Paulus-Dom.

© Bistum Münster

Der Minister nahm die Zuhörerinnen und Zuhörer zunächst mit auf eine Reise in die Vergangenheit und stellte heraus, welche Bedeutung die Unterzeichnung des Westfälischen Friedens heute noch hat. „Er war einer der ersten Versuche, ein internationales Rechtssystem zu schaffen und bildete im Wesentlichen eine der ersten Grundlagen für internationale Gemeinschaften wie die Europäische Union oder die Vereinten Nationen“, sagte Asselborn.

Demokratie, sagte Asselborn, sei nicht immun gegen Kritik, wachsam sein müsse man bei dem Begriff Demokratiemüdigkeit. „Es gibt Stimmen, die uns glauben machen wollen, dass autoritär geführte Staaten Herausforderungen wie Corona, Krieg oder Klima besser meistern können“, warnte er und fragte, ob eine Demokratie im post-faktischen Zeitalter überleben könne. „Die Erfahrung Trump hat uns gezeigt, wie schnell eine Demokratie ins Wackeln geraten kann, wenn die Wahrheit zur Unkenntlichkeit verbogen wird und die sozialen Medien als Instrumente dazu benutzt werden“, warnte er.

Angesichts der Lage in Afghanistan müssten sich die Demokraten „aller Couleur“ fragen, was sie hätten besser machen können, gab sich Asselborn selbstkritisch. Er zählte die zahlreichen Bemühungen auf, in Afghanistan eine neue Ordnung zu etablieren. „Seit dem Fall Kabuls sehen wir, wie ein Großteil unserer Arbeit in Rauch aufgeht“, sagte er und forderte auf: „Europa muss seine Rolle übernehmen, humanitäre Hilfe leisten und es muss auch alles getan werden, damit die Europäische Union wieder in Kabul präsent ist.“ Zudem plädierte er für eine Aufnahme von Flüchtlingen aus Afghanistan in den Ländern der EU.

In Afghanistan sei die Demokratie in größter Gefahr, betonte Asselborn und stellte die Frage, ob sie in Europa „in Beton gegossen“ sei. „Es darf in der Europäischen Union kein Abdriften vom demokratischen Prozess geben. Illiberalismus á la Orban und Co. ist Gift für unsere freiheitliche Ordnung und endet nicht in einer liberalen, gefestigten Demokratie, sondern in der Diktatur oder Autokratie“, warnte er eindringlich. Demokratie fuße auf Vertrauen, Grundrechte, Prinzipien und Werte. Daran dürfe es keinen Zweifel geben und dafür müsse man einstehen und auch kämpfen. „Leider muss man feststellen, dass diese Werte und Normen seit einiger Zeit nicht mehr vollumfänglich von allen Mitgliedsstaaten respektiert werde“, sagte der Außenminister und nannte Polen und Ungarn als Beispiele.

Asselborn nannte aktuelle Maßnahmen der EU, um Demokratie und Rechtstaatlichkeit besser zu schützen. „Es darf kein Zweifel aufkommen in unserer Entschlossenheit, diese Werte zu verteidigen. Sie sin das Fundament der Europäischen Union, der Kitt, der sie im Innersten zusammenhält. Hier darf es keine Zugeständnisse geben“, unterstrich er. Trotz aller Widrigkeiten gebe es in weiten Teilen der Bevölkerung eine positive Einstellung zur Union. 

Dennoch werde der europäische Demokratiegedanke von Populisten angefochten, durch extreme Vereinfachung und Denken in Gegensätzen könne er die politische Debatte soweit polarisieren, dass der notwendige Meinungsaustausch nicht mehr möglich sei „Demokratie und Populismus passen nicht zusammen. Populisten schüren gegenüber ihrer Anhängerschaft Misstrauen in demokratische Institutionen“, warnte der Minister. Sachliche und begründete Kritik an demokratischen Institutionen und Prozessen sei grundsätzlich erlaubt und erwünscht, „aber den demokratischen Prozess grundsätzlich infrage zu stellen und durch Verschwörungserzählungen zu unterwandern, ist brandgefährlich.“ Der Brexit zeige, dass Populismus ein „langsam wirkendes Gift“ sei.

Asselborn setzt seine Hoffnungen auf den Ende 2020 aufgelegten Aktionsplan für Demokratie der europäischen Kommission. „Dieser Plan sieht Maßnahmen zur Förderung freier und fairer Wahlen, zur Stärkung der Medienfreiheit und zur Bekämpfung der Desinformation vor“, erklärte er. Zudem warb er eindringlich für die Arbeit des Europaparlamentes. „Es ist ein Angelpunkt europäischer Politik“, erklärte er und wies auf die Konferenz zur Zukunft Europas in. „Ich kann die Bürger nur ermutigen, sich einzubringen. Jede Meinung ist wichtig. Wenn man Kritik an der Europäischen Union auszuüben hat, dann soll man sie vorbringen und aktiv daran mitarbeiten, unsere gemeinsame Union zu verbessern. Das ist nicht nur das Recht eines jeden Bürgers in der Demokratie, sondern gewissermaßen auch seine Pflicht. Sie gehört zur Demokratie dazu“, sagte Asselborn. Im weiteren Verlauf seiner Rede ging er auch noch auf die Probleme ein, die während der Corona-Pandemie zutage getreten sind.

Langen Applaus gab es für Asselborns Rede im St.-Paulus-Dom. „Es war ein großer Gewinn, Sie zum Ende der DomGedanken gehört zu haben“, sagte Dompropst Schulte, der sich nicht nur bei den Unterstützerinnen und Unterstützern der Vortragsreihe bedankte, sondern auch bei Domorganist Thomas Schmitz, der den Abend musikalisch an der Orgel begleitete.
Alle Vorträge der DomGedanken sind auf der Youtube-Seite des Bistums Münster abrufbar.

Christian Breuer