Schülerinnen der Marienschule Xanten besuchen Auschwitz

, Kreisdekanat Wesel

Auschwitz mit eigenen Augen erleben – so lautete der Titel der Arbeitsgemeinschaft (AG) und der Gedenkfahrt, der sich 22 Schülerinnen der Marienrealschule in Xanten angeschlossen hatten. Das Ziel: Sie wollten die Stadt erfahren, die stellvertretend für den grausamen Holocaust an den Juden in der Naziherrschaft steht. Und das zu einer Zeit, in der der Antisemitismus in Deutschland und der Welt aufgrund der Situation im Nahen Osten wieder aufflammt. 

Vier Schülerinnen halten Plakate hoch, neben ihnen steht eine Lehrerin.

Christiane Lamers, Mira Hochgreef, Nadege Mlawson, Zoe Schrör und Emma Karaman berichteten für die AG-Ausschwitz von ihren Erfahrungen der Gedenkfahrt.

© Bistum Münster

Sie sind sich einig. Nach den Erfahrungen im Konzentrationslager (KZ) Auschwitz und den aktuellen antisemitischen Ausschreitungen in Deutschland und der Welt formulieren die vier Mädchen stellvertretend für die gesamte AG: „Nie wieder!“ – nie wieder dürften sich Ereignisse wie in Auschwitz ereignen. Nie wieder dürften Menschen entrechtet, verfolgt, entwürdigt und ermordet werden, sagen sie in einem Pressegespräch nach der Gedenkfahrt im Oktober. 

Schon die Größe des Lagers war für die 15-jährige Emma Karaman aus Rheinberg erschlagend. Die notdürftige Kleidung, selbst bei bitterster Kälte, der Hunger und die Willkür zeuge von der Unmenschlichkeit des Systems. Erschüttert sei sie gewesen, als sie vor den Ruinen der Krematorien stand und sich vorstellen musste, dass so viele Menschen dort umgebracht wurden. Und jetzt habe sie das Gefühl, „der Judenhass fängt schon wieder an“, sagt Emma und denkt zum Beispiel an die antisemitischen Demonstrationen in Berlin.

„Es ist schlimm zu sehen, was gerade passiert“, beschreibt Zoe Schrör ihre Gefühle. Die Entführungen und die Ermordung der Juden durch die Hamas und das dadurch ausgelöste Leiden sei furchtbar, meint die 15-jährige Schülerin aus Alpen. Erschreckend sei es, dass heute schon wieder jüdische Häuser mit einem Judenstern gebrandmarkt würden, ergänzt die Mitschülerin Emma. Freiwillig haben sich die Mädchen der AG angeschlossen, die zusätzlich zum normalen Stundenplan angeboten wurde.

Intensiv hat sich die Gruppe auf das Programm vorbereitet. Die Schülerinnen sollten vorbereitet sein auf das, was sie zu sehen bekommen. Denn im Unterricht hätten die 10er-Klassen das Dritte Reich bisher noch nicht durchgenommen, sagt Christiane Lamers, die gemeinsam mit Jörg Heinemann die AG und die Fahrt nach Auschwitz geleitet hat. Schon im Vorfeld habe man den Gottesdienst zum Holocaust-Gedenktag vorbereitet und sich mit den Stolpersteinen in Xanten befasst und so das jüdische Leben in der Stadt kennen gelernt. Auch mit Shuli Grohmann, der Tochter einer Überlebenden der Shoah, die seit der Mitte der 1970er-Jahre in Deutschland lebt, haben die Schülerinnen sich ausgetauscht. Der Liebe wegen kündigte diese ihren Dienst bei der israelischen Armee und zog nach Deutschland, wo sie an der Verständigung der Völker arbeitet. 

„Das Thema Ausschwitz hat mich schon früh beschäftigt“, sagt Zoe. Mit den Eltern hat sie das Anne-Frank-Museum in Amsterdam besichtigt. Auch Mira Hochgreef, war schon früh interessiert, selbst zu sehen, was sich im KZ ereignet hat. „Wenn man es an Ort und Stelle sieht, ist es etwas ganz anderes als darüber zu hören oder zu lesen. Es übersteigt jede Vorstellungskraft“, beschreibt die 16-Jährige aus Xanten. Nadege Mlawson wollte begreifen, welche Faktoren zum Holocaust geführt haben, warum die Juden zum Sündenbock auserkoren wurden und der so Hass geschürt werden konnte. Die 15-jährige Schülerin aus Xanten macht die Haltung der Menschen damals dafür verantwortlich, Juden immer weiter auszugrenzen bis Gewalt möglich, ja alltäglich wurde.

Während ihrer viertägigen Fahrt haben die Schülerinnen die Stadt Oswiecim (Auschwitz) besichtigt, Ausstellungen und die Synagoge besucht. Dass die Menschen – Juden wie Christen – zunächst einträchtig zusammenlebten und es schließlich doch umgekippt ist, macht die Mädchen fassungslos. Weitere Stationen sind das Stammlager, Birkenaus, die Rampe, wo die Juden selektiert und in den Tod geschickt wurden, die Kinder- und die Todesbaracke, die Todeszellen, die Todeswand, die Gaskammer und die Krematorien. An den Ruinen des Krematoriums haben sie eine Schweigeminute abgehalten und eine Postkarte mit ihren Empfindungen hinterlegt. Eine Station war furchtbarer als die andere. Vor allem die Kinderbaracke hat sie nachhaltig beeindruckt. „Wie furchtbar, dass dort Gleichaltrige so gelitten haben, nicht dieselben Möglichkeiten hatten, sich zu entwickeln“, sagen die vier Schülerinnen.  

Sie haben die Ausstellung von Marian Kolodziej besichtigt, der seine jahrelange KZ-Haft in eindrücklichen Zeichnungen verarbeitet hat. Abends haben sie das Gesehene reflektiert, haben darüber gesprochen, was sie gesehen und erlebt haben. Eines ist ihnen sehr deutlich geworden: Nie wieder dürfe es eine solche Zeit geben, in denen Juden oder andere Gruppen verfolgt und ermordet werden. Schon als Jugendlicher müsse man anderen beistehen und einschreiten, wenn mit Hass andere Menschen erniedrigt würden. Man müsse wachsam sein, was gerade passiert. Und dankbar, dass „wir so gut leben“, ist das Resümee der Gruppe.

Jürgen Kappel