Telgter Schüler und Firmlinge machen virtuelle Fluchterfahrungen

, Kreisdekanat Warendorf

Was es heißt, alles zurückzulassen und zu fliehen, das können die Schülerinnen und Schüler des Telgter Schulzentrums sowie Jugendliche, die sich auf die Firmung vorbereiten, nun etwas besser nachempfinden. In den vergangenen Tagen machte der „missio-Truck“ des internationalen katholischen Hilfswerks missio auf dem Schulhof Station. In corona-konformen Kleingruppen durchliefen rund 300 Schüler der Jahrgangsstufe 9, 10, Q1 und Q2 sowie Messdiener und Firmlinge der Pfarrei St. Marien die mobile Ausstellung zum Thema „Menschen auf der Flucht“.

Auch eine Messdienergruppe der Pfarrei St. Marien besuchte den „missio-Truck“ zum Thema „Menschen auf der Flucht“.

© privat

Manuela Vosen vom Team des „missio-Trucks“ zeigt eine große Afrika-Landkarte. „Ihr reist gleich in die Demokratische Republik Kongo. Der Rohstoff Coltan, der in allen technischen Geräten steckt und auch für die Herstellung von Handys benötigt wird, wird dort abgebaut.“ Das Erz sei auf von Rebellen kontrolliertem Land zu finden, diese finanzieren von den Einnahmen Waffen. Die Minen seien umkämpft, ganze Dörfer würden niedergemacht und Menschen mit Gewalt vertrieben. „Viele Menschen fliehen, um ihr Leben zu retten“, verdeutlicht Manuela Vosen und vertieft mit den Schülern den Zusammenhang zwischen Handys und Flucht.

Per QR-Code nehmen die Schüler im Truck die Identität junger Flüchtlinge an. In der Kapelle im Ost-Kongo müssen sie vor bewaffneten Milizen flüchten, sich entscheiden, welche Gegenstände sie auf die Flucht mitnehmen wollen. Auch wie kirchliche Partner in den betroffenen Regionen und wie sie selbst helfen können, erfahren die Jugendlichen in der Ausstellung. „Wir haben ein Bild von den Fluchtbedingungen bekommen, wie ein Schulbuch sie niemals hätte vermitteln können“, sagt Jannis Post nach seinem Besuch in der interaktiven Ausstellung. Die Entstehung, Brutalität und Aktualität des Konflikts sei deutlich geworden. „Besonders überrascht hat mich die Gewaltbereitschaft der Menschen, die mit verstörenden Mitteln unter den Einheimischen Angst und Schrecken verbreiten, um ihre eigenen Interessen durchzusetzen“, zeigt sich der Firmling erschüttert. Dem schließt sich Erik Börding an. Der Messdienerleiter ist froh, den „missio-Truck“ besucht zu haben. „Das ist ein echt tolles Projekt, um etwas über den Kongo und die Rohstoffe zu erfahren“, sagt er. Dennoch: „Dass dann doch so viel in unseren Handys landet, hätte ich nicht gedacht.“ 

Mechthild Rövekamp-Zurhove freut sich, dass der Truck im Telgter Schulzentrum Halt gemacht hat. „Damit hatten wir einen außerschulischen Lernort direkt vor der Schultür“, lobt die Schulleiterin des Maria-Sibylla-Merian-Gymnasiums Telgte die gute Konzeption des missio-Trucks. Sekundarschuldirektor Steffen Möller weiß, dass das Schicksal vieler Flüchtlinge oft weit entfernt vom Alltag der meisten Jugendlichen in Deutschland ist. „Aber Flucht ist real und ganz nah“, sagt er. Die Inhalte der Ausstellung seien zudem auch im Hinblick auf Fragen der Nachhaltigkeit und Flucht hochaktuell. Im kommenden Jahr wird der „missio-Truck“ noch weiterhin mit der Ausstellung „Menschen auf der Flucht“ unterwegs sein, bevor 2023 eine interaktive Ausstellung mit dem Titel „Eine Welt – keine Sklaverei“ geplant ist.

Mit dem „missio-Truck“ ist die Pfarrei auf Initiative von Pastoralreferent David Krebes erstmals eine direkte Kooperation mit den weiterführenden Schulen in Telgte eingegangen. „Die Jugendlichen, für die ich auch in der Pfarrei als Seelsorger zuständig bin, verbringen die meiste Zeit in der Schule“, freut sich Krebes über die Zusammenarbeit und dankt ausdrücklich den Lehrkräften Mechthild Hothneier und Oliver Held. Das nächste gemeinsame Projekt steht schon in den Startlöchern: Pfarrei und Schulen planen einen Actionbound, eine interaktive Schnitzeljagd, zu den Erinnerungsorten jüdischen Lebens in Telgte. „Auf diese Weise können schulische Lerninhalte und Telgter Erinnerungskultur miteinanderverknüpft werden“, erklärt Krebes. 

Ann-Christin Ladermann

Freuen sich über diese und folgende Kooperationen der Pfarrei St. Marien und des Schulzentrums: (von links) Manuela Vosen, Steffen Möller, David Krebes, Mechthild Rövekamp-Zurhove und Hans-Georg Hollenhorst (Fachstelle Weltkirche im Bistum Münster).

© privat