Tief beeindruckender Besuch in der Vestischen Kinder- und Jugendklinik
Er ist noch unglaublich winzig, dieser klitzekleine Felix mit seinem Geburtsgewicht von gerade einmal 570 Gramm. Mit seiner zierlichen Faust kann dieses Baby den Finger seines erwachsenen Namensvetters kaum umfassen.
Münsters Bischof Dr. Felix Genn ist es, der seine Hand in das Intensivbettchen des Kleinen steckt. Er ist zu Besuch in der Vestischen Kinder- und Jugendklinik Datteln, momentan bei den Frühgeborenen. Corinna und Christian Walz aus Castrop-Rauxel, die Eltern von Felix, denen ihr kleiner Frühstarter so viele Sorgen macht, freuen sich sehr über das rege Interesse des Kirchenoberen.
Kontaktfreudig und einfühlsam, warmherzig und interessiert zeigt sich Bischof Felix bei seiner Visite am Donnerstag (5. Juni) in der drittgrößten Kinder- und Jugendklinik Deutschlands, der jüngsten Station seiner Besuchsreihe in sozialen Einrichtungen in 2014. Genn nimmt sich einen halben Tag Zeit, begegnet Patienten und Eltern, Pflegekräften und Ordensschwestern, medizinischen, pädagogischen, psychologischen und Verwaltungsmitarbeitern.
Erste Station des Rundgangs ist die Kinder-Palliativstation, "ein Ort, zu dem Kinder kommen, um besser leben zu können", erklärt Chefarzt Prof. Dr. Boris Zernikow. Hier lernt Bischof Felix die fünfjährige Anne kennen, die im Rollstuhl sitzt. "Ein Mädchen, das derart starke Schmerzen hatte, dass sie nicht mehr leben wollte und das sich deshalb weigerte, zu essen oder zu trinken", beschreibt Zernikow den Einweisungszustand, "man hat sie sofort schmerztherapeutisch eingestellt". Nun ist der Psychologe aus dem multiprofessionellen Team dabei, ihr die Angst vor dem Schmerz zu nehmen.
"Bei uns ist der Arzt nur einer von vielen, wir brauchen das gesamte Team, jeder ist wichtig", beschreibt Zernikow den interdisziplinären Ansatz. Bei Anne hat das offensichtlich Erfolg, sie wirkt vielleicht ein wenig schüchtern, ihre Miene ist aber weder schmerzverzerrt noch angsterfüllt. Die Räume, in denen Anne und ihre Mitpatienten im Kinder-Palliativbereich untergebracht sind, wirken wie Kinderzimmer, obwohl sie Intensivmedizin ermöglichen. Fröhliche Farben, genug Platz, damit Mama oder Papa auch übernachten können, Echtholzmöbel, eigenes Bad mit WC. Die so ausgestattete Kinder-Palliativstation ist "mit Spenden und Schulden" gebaut, schildert Zernikow, "dafür gibt es keine ausreichende Regelfinanzierung". Das ist ein Stichwort für Domkapitular Klaus Winkerkamp, der den Bischof begleitet: "Ein Unding", sagt der Vorsitzende des Diözesancaritasverbandes, "Palliativ- und Hospizversorgung müssen Teil der Regelversorgung in Deutschland werden und damit ausreichend finanziert!" Eine Forderung, der sich der Bischof anschließt. Bis das so kommt, bleibt die Kinderpalliativstation weiter auf Spenden angewiesen.
Ortswechsel, es geht in den ‚Altbau‘, in die Neuropädiatrie, wo Krankheiten des Nervensystems behandelt werden. Die kleinen Patienten hier haben angeborene oder während der Geburt erworbene Erkrankungen, erläutert der ärztliche Direktor Prof. Dr. Michael Paulussen, die sich beispielsweise in Krampfanfällen äußern. Hier lernt Bischof Felix den kleinen Ben kennen, den er ermutigt, sein Puzzle weiter zu machen: "Bist schon fast fertig, schön!", lobt Genn. Die "bauliche Ausstattung" in diesem Bereich bezeichnet Paulussen als "noch okay", zumal die Verweildauer meist kürzer ist. Nun geht es zur Kapelle. Hier weist Krankenhausseelsorger Pfr. Ulrich Laws zur Freude des Bischofs auf den Hoffnungsbaum hin: "Die Kinder malen ihre Fürbitten und heften sie daran". Sitzsäcke laden die Patienten zum Ausspannen ein: "Hier kommt man zur Ruhe", hört der Bischof. Auch zwei muslimische Gebetsteppiche haben in diesem Gotteshaus ihren Platz gefunden: Gen Osten ausgerichtet.
Nächste Station ist die Klausur der verbliebenen drei Ordensfrauen, Vorsehungsschwestern, die im Ruhestand sind und deren Gemeinschaft 1956 die Urzelle der heutigen Klinik gründete. Die Schwestern Genovefa, Giseltrud und Conradine bringen es auf 64, 17 und 59 Dienstjahre in dem Krankenhaus. "Sie sind bescheiden und würden das nie erzählen", verrät Klinikgeschäftsführer Andreas Wachtel, "aber immer noch lassen sie sich hin und wieder auf Stationen oder in der Cafeteria sehen, sind ansprechbar, trösten und nehmen in den Arm". Im Übrigen sind die Schwestern wegen ihrer "wunderbaren Waffeln" bei den Patienten beliebt - und Schwester Giseltrud besonders, weil sie als ausgewiesene Fußballexpertin auch jungen Fans fachsimpelnd stundenlang Paroli bieten kann.
Der weitere Weg führt am Schlaflabor zur Erforschung des plötzlichen Kindstods vorbei zur Kleinkind-Station. Hier sind die Räume eng, die Eltern übernachten meist im Krankenzimmer ihrer Kinder. Bei einer Belegung mit zwei oder drei Patienten pro Zimmer muss die Kinderkrankenschwester dann nachts geschickt sein, will sie Fieber messen. Der Bischof schüttelt nachdenklich mit dem Kopf. "Chronisch unterfinanziert", kommentiert Winterkamp, "das Geld reicht vorne und hinten nicht aus". Nicht einmal für dringend erforderliche Renovierungen: Ist die Fassade undicht, kommt nur eine punktuelle Abdichtung, grundlegend sanieren geht nicht. "Trotz alledem ist die Versorgung hier gut", stellt Paulussen klar, "wir haben ein sehr engagiertes Team".
Bischof Felix nutzt die Gelegenheit und stellt viele Fragen zu den Themen Misshandlung und Missbrauch. Er erfährt, welche wichtige Rolle bei diesen Phänomenen die Kinderklinik spielt: "Es ist unsere Aufgabe, die Interessen des Kindes zu vertreten", stellt Wachtel klar. Auch, wenn die Eltern alles abstreiten. Der medizinische Kinderschutz ist übrigens ebenfalls ein Aufgabenfeld, das die Klinik rein aus Spendenmitteln finanzieren muss. Denn er ist vom Gesetzgeber nicht vorgeschrieben und in den Leistungen der Krankenkassen nicht vorgesehen.
Dann kommt ein Abstecher zum Perinatalzentrum, einer gemeinsamen Einrichtung der Vestischen Kinder- und Jugendklinik und des benachbarten St. Vincenz-Krankenhauses. Dort stellen die Chefärzte dem Bischof die Geburtshilfe und die Früh- und Neugeborenenintensivstation vor, wo Bischof Felix den kleinen Felix traf: Siehe oben.
Letzte Station des Bischofsbesuchs ist das André-Streitenberger-Haus für langzeitbeatmete Kinder. "Wir versuchen hier, Normalität zu leben, trotz Maschinen und Technik, die sein müssen", beschreibt Hausleiter Michael Schwerdt den Ansatz der Einrichtung. Hier kommt Bischof Felix in Kontakt mit dem Patienten Ramesch, der sein positives Lebensgefühl beschreibt, das er hat, obwohl er im Rollstuhl sitzt und sich nur mit technischen Hilfsmitteln verständigen kann.
"Ich bin tief beeindruckt", bilanziert der Bischof am Ende des Besuchs und lobt Führungskräfte wie Mitarbeiter: "Das geht über jede ökonomische Berechnung hinaus. Das ist einfach nur praktisches Tun der Nächstenliebe".
Text: Bischöfliche Pressestelle
Kontakt: pressestelle[at]bistum-muenster.de