Viel Zeit, um Erfahrungen zu sammeln. „Ich mache diesen Beruf immer noch so gerne wie am ersten Tag“, sagt Verena Schrimpf voller Überzeugung, aber ohne zu leugnen, dass sich in dem Vierteljahrhundert viel getan hat. „Die Schülerschaft hat sich sehr verändert“, weiß die Pastoralreferentin und Fachpädagogin für Psychotraumatologie. Inklusion, Kriegs- und Fluchterfahrungen – all dies war bei ihrem Schulstart noch kein Thema. „Inzwischen haben wir in jeder Klasse drei Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf, und sehr viele Kinder und Jugendliche – aus Syrien, Afghanistan oder der Ukraine –, die durch traumatische Erfahrungen in ihren Heimatländern belastet sind“, erklärt Verena Schrimpf.
Insgesamt seien die Herausforderungen für einzelne Schüler sehr viel komplexer geworden, beispielsweise durch die Auswirkungen von Corona, durch finanzielle Sorgen der Familien, psychisch erkrankte Eltern, Trennungssituationen oder unzureichenden Wohnraum. Darüber hinaus würden die Krisen in der Welt das subjektive Sicherheitsgefühl der Schüler belasten.
Chance liegt in längerer Begleitung
Für die Schulseelsorgerin bedeutet das: „Kein Tag ist wie der der andere, Langeweile kenne ich nicht.“ Projekte, seelsorgliche Gespräche, Gottesdienste, Mitarbeit in Arbeitsgruppen und Konferenzen – mit all diesen Angeboten möchte Verena Schrimpf die Menschen in der Schule in Krisen- und Hochzeiten begleiten und dazu beitragen, dass sie sich wohlfühlen, unabhängig von Kultur, Religion und Alter.
Schrimpf, die zudem mit halber Stelle als Referentin für die Schulseelsorgerinnen und Schulseelsorger im Bischöflichen Generalvikariat arbeitet, empfindet es als Privileg, die Schüler über mehrere Jahre begleiten zu können. Ein besonderer Vorteil sei dies in Krisensituationen, in denen die Schulseelsorgerin an der Seite ihrer Schüler ist. „In diesem Jahr haben schon vier Schüler ein Elternteil verloren. Ich habe die Chance, sie über einen längeren Zeitraum zu begleiten, ein offenes Ohr zu haben, wenn sie reden möchten – auch ein Jahr oder drei Jahre später.“
Auch wenn sich die Religiosität der Schüler verändert hat, Themen rund um den Papst und die Amtskirche im Alltag kaum noch eine Rolle spielen, und immer mehr kirchenferne Familien dazukommen, fühlt sich Verena Schrimpf gefordert: „Um sich die großen Fragen nach dem Sinn des Lebens zu stellen, muss man nicht tief gläubig sein. Gerade junge Menschen wollen dabei begleitet werden – und ich möchte da sein und schauen, was sie dafür brauchen.“ Die Pastoralreferentin hat dabei nicht nur die Schüler im Blick: „Schulseelsorge ist für alle im System Schule Tätigen da“, betont sie. Das Kaffee-Angebot für die Schulleitung versteht Verena Schrimpf deshalb genauso als ihre Aufgabe wie die Begleitung von Kollegiums-Ausflügen sowie Gespräche mit den Reinigungskräften und den Hausmeistern.
"Schulseelsorge als Chance für die Kirche von morgen"
„Ich wünsche mir, dass die Schulseelsorge stärker als Chance gesehen wird für die Kirche von morgen“, sagt Verena Schrimpf. Dabei ist ihr der Einsatz von Schulseelsorgenden an möglichst allen Schulen wichtig, den bischöflichen wie den öffentlichen. An letzteren hat das Bistum Münster derzeit 22 pastorale Mitarbeitende eingesetzt sowie 20 Lehrkräfte, die sich im Bereich Schulseelsorge fortgebildet haben. Insgesamt sind derzeit 107 Schulseelsorgende im Bistum Münster im Einsatz. „Die Zukunft der Kirche ist dort, wo die Menschen sind. Im Miteinander von Lernen und Arbeiten verbringen diese viel Zeit in der Schule.“ Schrimpf fühlt sich in ihrer Arbeit von ihrem Glauben getragen und gestärkt: „In Zeiten von Leistungsdruck, globalen Krisen, Sorgen und Problemen braucht Schule Hoffnung und Zuversicht, für die ich als Schulseelsorgerin in den Begegnungen mit den Menschen einstehe.“
Ann-Christin Ladermann