Wenn Geschichten lebendig werden

, Kreisdekanat Recklinghausen

Marion Distelkamp ist ein wenig nervös, denn heute ist ihr großer Tag. Die Leiterin der Kita Liebfrauen in Recklinghausen hat ein volles Programm. Auf der benachbarten Wiese ist ein großes rundes Zelt aufgebaut, in dem sie gemeinsam mit Thomas Hoffmeister-Höfener vom Theomobil e.V. Kindern und Eltern Geschichten erzählen wird. Für die 53-Jährige sind die unterschiedlichen Erzählrunden eine Feuerprobe. Heute kann sie zeigen, was sie gelernt hat. Denn Distelkamp hat gemeinsam mit weiteren 20 Teilnehmerinnen aus Duisburg, Marl, Dorsten, Ochtrup, Greven und Xanten an der umfassenden Fortbildung „Erzähl mir deine Hoffnung“ des Aktionsprogramms „Kita – Lebensort des Glaubens“ des Bistums Münster teilgenommen.

Im Erzählzelt haben es sich inzwischen rund 60 Vorschulkinder des Familienzentrums Triangel, zu dem die Kitas Liebfrauen, Petrus Canisius und St. Raphael gehören, mit einigen Erzieherinnen bequem gemacht. Manche liegen auf dem Boden, andere haben sich auf die Kissen gesetzt. Sie sind schon ganz gespannt auf das, was jetzt kommt. Distelkamp greift in ihre Erzählkiste und holt einen Stein heraus. Dann geht es los: die Geschichte von dem Frosch, der Nachtigall, dem Maulwurf, dem Löwen und schlussendlich dem Stein nimmt Gestalt an. Immer wieder spricht sie die Kinder an, die ihr aufmerksam zuhören. Sie denken mit, reagieren und mischen sich auch schon mal ein. „Nochmal“, ruft spontan ein Kind, als Distelkamp endet. Doch eine Wiederholung gibt es heute nicht, sondern es geht weiter mit der Geschichte von den tanzenden Wölfen und dem Murmeltier, die Hoffmeister-Höfener lebendig werden lässt. 

„Die Geschichte kam heraus“, sagt Distelkamp und atmet einmal tief durch. „Ich habe mich sehr wohl gefühlt und konnte beim Erzählen aus dem schöpfen, was ich in der Fortbildung gelernt habe“, fügt sie hinzu. Es sei immer ihr Wunsch gewesen, gut erzählen zu können. „Das ist eine Leidenschaft von mir“, berichtet sie von ihrer Motivation. Für den Alltag im Kindergarten oder auch für Kinderwortgottesdienste, in denen erzählt, getrommelt und getanzt wird. „Erzählen ist für Kinder wichtig. Es fördert die Sprache und die Konzentration. Mit Geschichten vermitteln wir auch Werte. Zudem setzen sich die Kinder mit unterschiedlichen Fragen auseinander“, ist sie überzeugt. Und bei religiösen Geschichten werde die Bibel lebendig. Ihr größter Ansporn seien die leuchtenden Kinderaugen, in die sie schaue, wenn sie Geschichten lebendig werden lasse. 

„Gutes Erzählen kommt aus dem Inneren heraus. Es sind nicht nur Worte, sondern die Mimik und Gestik spielt auch eine große Rolle. Wir erzählen mit dem ganzen Körper“, sagt Hoffmeister-Höfener. Der Diplom-Theologe und Geschichtenerzähler ist nicht nur mit seinem Erzählzelt unterwegs, sondern auch Referent der Fortbildung. Wichtig sei es, einen Rahmen zu schaffen, der den Kindern helfe, sich für die Erzählsituation zu öffnen. So wie das Erzählzelt. „Erzählen ist kein Monolog, denn die Geschichte erleben wir gemeinsam. Ohne Zuhörer gibt es keine Geschichte“, erklärt Hoffmeister-Höfener. 

Das Erzählzelt macht an jeder beteiligten Einrichtung zum Abschluss der Fortbildung Station. „Wir möchten, dass die Fortbildungsinhalte vor Ort ankommen und die Teilnehmerinnen ihre Arbeit reflektieren sowie selbstständig umsetzen. Das gehört zur Zertifizierung“, erläutert Kathrin Wiggering vom Aktionsprogramm. 

In der Kita Liebfrauen ist die Begeisterung fürs Erzählen groß. Nicht nur Distelkamp, sondern auch ihre Kolleginnen und Kollegen haben sich mit dem Erzähl-Virus angesteckt. „Bei einem Teamtag werden wir das Thema auf jeden Fall weiter vertiefen“, blickt sie nach vorn. Aber auch das Aktionsprogramm hat weitere Fortbildungen im Programm. „Allerdings ist die nächste Erzählwerkstatt bereits ausgebucht“, informiert Wiggering. 

Weitere Informationen zum Aktionsprogramm und den Fortbildungen gibt es hier.

Michaela Kiepe

Marion Distelkamp steht vor vielen Kindern und hält die Hände an die Ohren.

Im Erzählzelt lässt Marion Distelkamp die Geschichte von dem Stein lebendig werden.

© Bistum Münster