Weihbischof Zekorn beklagt „Stigmatisierung“ in Oelde

, Kreisdekanat Warendorf

Weihbischof Dr. Stefan Zekorn hat zu einem Perspektivwechsel und einer Umkehr aufgerufen – nicht nur im Hinblick auf die Fleischindustrie. „Wir dürfen jetzt definitiv nicht mehr wegsehen, wie wir mit Menschen, Tieren und ökologischen Ressourcen umgehen, angesichts unseres viel zu hohen Fleischverbrauchs.“ Das betonte der Regionalbischof für das Kreisdekanat Warendorf am 28. Juni in Oelde. Zekorn war anlässlich des Patronatsfestes der Pfarrei St. Johannes in die Stadt mit den meisten Corona-Infizierten im Kreis Warendorf gekommen, um die Verbundenheit und Solidarität des Bistums zum Ausdruck zu bringen.

„Wieder erleben Sie große Einschränkungen im täglichen Leben, dazu die unglaubliche Diffamierung und Stigmatisierung“, sagte der Weihbischof. Autos mit den Kennzeichen der Kreise Gütersloh und Warendorf würden zerkratzt, es habe zeitweise eine Sondermaskenpflicht für die Einwohner der Kreise gegeben und Familien müssten ihren lang ersehnten Urlaub abbrechen. „Corona isoliert, entzweit und spaltet, das müssen Sie jetzt hautnah erleben. Und das haben wir vorher schon international in erschreckendem Ausmaß erlebt“, betonte Zekorn.

Doch in Krisen könnten sich auch neue Perspektiven auftun. So berichtete der Weihbischof von einem befreundeten Ehepaar, das sich durch die Corona-Krise von dem Gottesdienst mit Papst Franziskus auf dem menschenleeren Petersplatz habe anrühren lassen und darüber nachgedacht habe, ob der Glaube in ihrem Alltag genügend Bedeutung habe. Zudem wusste er von einem Familienvater, der die Beobachtung gemacht hatte, dass der älteste Sohn wieder mit Freude mit seinen kleinen Geschwistern im Sandkasten spielt – obwohl er das lange nicht mehr habe tun wollen.

„Auch der Heilige Johannes hat zu einem solchen Perspektivwechsel aufgerufen, er nennt ihn ‚Umkehr‘“, schlug Zekorn die Brücke zum Patron der Pfarrei und fragte: „Brauchen nicht auch wir als Gesellschaft eine solche Umkehr, eben einen Perspektivwechsel?“ Die Probleme der Schlachtindustrie offenbarten „die Skrupellosigkeit der Geschäftemacher“ in dieser Industrie. „Aber sind sie nicht auch ein Problem der ganzen Gesellschaft und damit ein Weckruf an uns?“, wandte er sich an die Gemeinde. Viele hätten nicht um die Situation in der Fleischindustrie gewusst, viele aber hätten es doch gewusst und noch mehr hätten es wissen können, wenn sie sich interessiert hätten, kritisierte Zekorn und bezog sich selbst mit ein. „Auch wenn ich mich seit Jahren immer wieder mit den sozialen und ökologischen Schwierigkeiten der Fleischindustrie beschäftigt und mich auch in der Öffentlichkeit dazu geäußert habe, so habe ich zu wenig getan.“

Künftig könne es so nicht mehr weitergehen, es brauche einen Perspektivwechsel. Die Corona-Pandemie könne ein solches Umdenken mit sich bringen, weil sie vor Augen führe, dass „wir die Welt nicht völlig in der Hand haben und entsprechend vorsichtig mit ihr umgehen müssen“. Aus der Haltung eines solchen einfachen Lebensstils heraus habe auch Johannes der Täufer gelebt. 

Ann-Christin Ladermann